Die Welt des Border Terriers Charly
  Der ganz normale Agility-Wahnsinn
 

Der ganz normale Agility-Wahnsinn

Es ist Samstagabend 22.00 Uhr, wie jeder normale Jugendliche bin ich auf die Einladung meiner Freundin eingegangen, die ausnahmsweise mal sturmfrei hat und eine kleine Party schmeißt.

Während sich andere mit Gedanken rumschlagen wie: „Yeah, Party!“, „Was trinke ich als nächstes?“, „Wie komme ich heim?“, „Egal, Hauptsache feiern und die Nacht zum Tag machen!“ gehe ich mit den Worten „Hey, danke für die Einladung! Wann gibt’s die nächste Party? Ich muss nämlich um 06.00 Uhr wieder raus und bleib nicht so lange,“ auf meine Freundin zu, und ernte dafür erstaunte Blicke.

Wer steht schon freiwillig Sonntags um 06.00 Uhr auf? Da gehen die meisten hier erst ins Bett...

Tja, wer tut das?

ICH! Hundebesitzerin, Agilityanerin, hundeverrückte und begeisterte Turniergängerin.

Mit meinem Border Terrier Charly hat mich vor ca. 4 Jahren das Agility-Fieber gepackt und seit ca. 2 Jahren bin ich sogar soweit infiziert, dass ich ganze Sonntage, und ich spreche vom ganzen Tag, auf Turnierplätzen verbringe.

Ankunft gegen 08.00 Uhr und Abfahrt gegen 17.00 Uhr. 

 

Ja, so ist das. Zurück zur Party.

Mit einem Glas Cola bewege ich mich zwischen meinen Freunden und versuche diejenigen auszumachen, die fahren müssen und auch nüchtern bleiben. Ich muss erwähnen, dass ich kein Problem habe auch ohne Alkohol Spaß zu haben, aber ab einem bestimmten Pegel hält man nüchtern einfach nicht mehr mit.

Naja, ich gönne dem Rest die ausgelassene Stimmung und versuche mich ein bisschen mitreißen zu lassen und nicht allzu sehr an das morgige Turnier zu denken.

Während einer ruhigen Minute auf dem Sofa kommen sie doch, die Gedanken.

Im Kopf gehe ich meine Liste durch:

- Agi-Leine: hab ich

- Futte: hab ich

- Trinken: steht bereit

- Papiere: hab ich

- Schuhe: hab ich

- Regensachen: hab ich

- Zelt und Matte: hab ich

- Stuhl: ist im Auto

- Erdhaken: ... oh je ... ich brauch den ... noch einpacken ... oder hab ich schon???

Bevor mein Lampenfieber-geplagter Kopf eine Panikattacke auslösen kann, am Vorabend eines Turniers kann sogar ein Erdhaken mein ansonsten ruhiges Gemüt in Aufruhr versetzen, versammeln sich Tim, Angie und Bianca um mich und schauen mich mit besorgten Blicken an.

Ob alles in Ordnung sei, fragen sie und ich antworte „Ja, habe nur morgen ein Turnier und muss früh raus. Wie viel Uhr haben wir? Ich will gegen 24.00 Uhr los, ich fahre ja nur 5 Minuten bis nach Hause.“

Mit mitleidig-erstauntem Blick holt Angie ihr Handy raus um auf die Uhr zu schauen, was mich dazu verleitet panisch nach dem meinen zu kramen um meinen Wecker zu kontrollieren, von dem ich eigentlich ja weiß, dass er auf 05.50 Uhr gestellt ist. Aber: Kontrolle ist gut, Wissen ist besser.

„Du bist krank,“ lässt neben mir Bianca verlauten und Tim schlägt vor, dass ich bis morgen um 03.00 Uhr mitfeiere. Denn ob ich jetzt 6 oder doch nur 3 Stunden schlafe, sei doch so ziemlich egal.

Ich bin fast in Versuchung den Vorschlag in die Tat umzusetzen, doch die Erinnerung an diese schon gemacht Erfahrung, lässt mich dann doch davon Abstand gewinnen.

„Nein, ich will einigermaßen fit sein, außerdem muss ich ja ne dreiviertel Stunde fahren.“ „Du bist krank,“ sagt Bianca im Brustton der Überzeugung. Ich versuche die drei vom Gegenteil zu überzeugen. „Ach quatsch, aber ich mache das freiwillig, außerdem macht es Spaß. Und sooo schlimm ist es auch nicht, um 06.00 Uhr aufzustehen! Habe ich ja schon oft genug gemacht und noch lebe ich!“

Sonntagmorgen 05.50 Uhr, mein Handywecker reißt mich aus meinem Schlaf. Vor Schreck rast mein Herz.

„Oh, Goooooooott. Ich sterbe, wieso tue ich mir das an? Ich will nicht!!! Bin ich eigentlich bescheuert? Es ist mitten in der Nacht...“

Während sich mein Herz wieder beruhigt, zwinge ich mich meine Augen zu öffnen und den Gedanken zu verscheuchen, das Turnier sausen zu lassen und einfach liegen zu bleiben.

„Nein,“ schalte ich mich. „Du hast 10€ bezahlt, der Rest zählt auf dich! Und du willst Siege für den Aufstieg sammeln!“

Mit soviel Kampfgeist schwinge ich, im Schneckentempo, die Beine aus dem Bett und stehe auf – schlagartig wird mir schlecht!

Was aber nicht mit dem Lampenfieber zusammenhängt, sondern einfach auf der Tatsache beruht, dass mein Körper nicht sonderlich davon begeistert ist, nach 5-6 Stunden Schlaf von einem Handywecker aus demselben gerissen zu werden.

Bevor ich den Signalen meines Kopfes „Schlafen, kuscheliges Bett...“ nachgeben kann, marschiere ich tapfer Richtung Badezimmer und mache bei mir das Licht an, damit es wenigstens ein bisschen nach Tag aussieht.

Aus Richtung meines Fußendes höre ich ein murren.

Mein Hund liegt zusammengerollt auf seiner Decke und blinzelt verschlafen ins Licht, nicht ohne mir einen bitterbösen Blick zuzuwerfen. „Guten Morgen mein Süßer, heute ist das Turnier. Agility. Springen. Juhu!“ flüstere ich ihm zu, auch um auszuprobieren, wie die Gedanken mir jetzt nach dem Aufstehen schmecken...ich kann meinen Charly verstehen, der mir seine Mittelpfote zeigt und sich auf die andere Seite dreht. 

 

Doch mein Kampfgeist lässt sich nicht so schnell vertreiben und ich stehe bald schon gewaschen, mit geputzten Zähnen, ein bisschen Mascara (um wenigsten den Eindruck zu erwecken, ich sei wach) und angezogen in meinem Zimmer – und friere. Die Müdigkeit kommt zurück und langsam wächst das Lampenfieber.

Um einen Schlussstrich darunter zu machen, ordne ich meine Bettsachen, die Gott sei Dank, etwas von ihrer Wärme verloren haben, ansonsten würde ich sofort wieder drin liegen.

Dabei bemerke ich den leeren Fleck am Fußenden. Wo eben noch mein Hund geschnarcht hat, liegen allenfalls noch ein paar Haare. Der Hauptdarsteller des heutigen Tages hat sich zu einer meiner Schwestern verkrümelt, die nicht so bescheuert sind wie sein mittleres Frauchen, und ihn mitten in der Nacht aus dem Bett schmeißen.

Und tief in mir ertönt eine leise Stimme. „Du könntest auch noch schlafen...“

Sehnsüchtig schaue ich mein Bett an. Bin ich vielleicht wirklich nicht ganz richtig im Kopf? Was um alles in der Welt tue ich hier?

"Ich fahre auf ein Turnier, ich will auf das Turnier! Ich werde Spaß haben! Ich werde .............................Mir ist kalt!"

 

Irgendwie schaffe ich es einen leeren Kopf zu bekommen und da ich aus Erfahrung weiß ich, dass oben genannter Hund sowieso runter kommen wird, wenn er hört, dass sich dort was tut, stapfe ich runter, wo meine schwarze Reisetasche steht, die gefüllt und gepackt darauf wartet, dass es los geht.

Während ich mir in der Küche ein bisschen was zu Essen zusammenpacke und so wenig Geld wie möglich mitnehme, diese Tierartikelstände sind tückisch, höre ich tatsächlich ein Tapsen und sehe gerade noch Charlys Schwanz um die Ecke verschwinden und kurz darauf ist das Knarrzen seines Körbchens zu vernehmen, zu dem sich ein wolliger „Hier-bleib-ich-liegen“-Seufzer gesellt. 

 

Immer noch bibbernd, lustig wie Lampenfieber die gefühlte Temperatur wie Minusgrade erscheinen lassen kann, registriere ich, dass es

Mittlerweile 06.35 Uhr ist.

 Zehn Minuten gebe ich ihm und mir noch, dann geht’s kurz aufs Feld und dann geht’s los!

Ja, Dann geht’s los...das Lampenfieber breitet sich wieder aus und ich versuche die nächsten Schritte so langsam wie möglich zu machen. Bloß nicht an den Slalom denken, bloß jetzt noch keine Taktiken überlegen, wie man was wie laufen kann, den Parcours kenne ich ja sowieso nicht.

In Seeleruhe (auf jeden Fall äußerlich) ziehe ich meine Schuhe an, Packe das Essen und Trinken in die Tasche, ziehe meine Jacke an und greife Charlys Leine.

Beim Klingen des Halsbandes ist er dann doch neugierig geworden und erscheint im Flur.

„Rausgehen,“ sage ich und Charly streckt und schüttelt sich und sieht plötzlich gar nicht mehr so müde aus.

Tja, jetzt macht er auch noch ernst...

Bepackt mit Hund und Tasche schließe ich die Tür und mache mich auf den Weg zum Auto. Dort stelle ich schon einmal die Tasche rein und begebe mich in Richtung Feld.

Außer ein zwei Autos, was machen die Sonntagmorgens um viertel von sieben auf der Straße?, sind wir anscheinend die einzigen Anzeichen von Leben. Noch nicht mal Vögel sind zu hören.

Aber ich genieße die kühle Luft und kann wenigstens ein bisschen Ruhe sammeln, Charly trabt vor mir her, als wäre es das natürlichste der Welt Sonntags in aller Herrgottsfrühe auf dem Feld rumzuspazieren.

Pünktlich um 07.00 Uhr sind wir wieder am Auto, ich verstaue meinen Hund und Agility-Partner auf dem Rücksitz, mache mein Radio an, atme noch mal tief ein – und rolle vom Parkplatz. 

 

Ein langer Tag liegt vor uns.

Aber ich mache es freiwillig, ich freue mich auf die Läufe und weiß, ich werde es wieder tun!!

 
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